Ein Tag im Leben eines Modul-Lokführers

Neulich im Bahnhof Hintertupfingen, im Dienstraum des Bahnhofsvorstehers, die Uhr zeigt 3:10 Uhr - morgens natürlich.

>Moin!

>>Grüß Dich, Flori! [Richtiger Name ist der Redaktion bekannt]

>Ich soll den Dg 61602 fahren.

>>Steht uff Drei'e.

Flori bekommt etwas über den (virtuellen) Thresen gereicht.

>>Hier die Papiere, kannst ja noch mal gucken, ob's stimmt.

>Alles klar.

Flori begutachtet seine neue Habe: Ein kleines Gerät mit Drehknopf und Spiralkabel, und ein Stapel Karten.

Der Bahnhofsvorsteher in Hintertupfingen ist in Personalunion Fahrdienstleiter, Zugbilder und Lokleiter. Flori hat sich gerade zum Dienst gemeldet. Heute steht der Durchgangsgüterzug Dg 61602 von Hintertupfingen nach Waldengenberg auf dem Programm, also einmal über die Hauptbahn in kompletter Länge. Nach dem Buchfahrplan ist die Abfahrt 3.53 Uhr, Aufenthalte sind planmäßig nicht vorgesehen, denn die Spalte 4 ist leer. Ankunft in Waldengenberg 5:03 Uhr. Eine Fahrzeit von 1Std 10min bedeutet, wenn man den Zeitverkürzungsfaktor unserer Modellzeituhr von 1:5 berücksichtigt, 14 reale Minuten Fahrspaß. Wenn alles planmäßig läuft, schaun mer mal.

Weiter ist im Kopf des Buchfahrplanes zu lesen die Höchstgeschwindigkeit im Gesamtlaufweg des Zuges, die Lokbaureihe (BR 132), die maximale Zuglast von 1800t und die Mindestbremshundertstel (die beiden letzten Angaben sind eher von ideellem Wert). Den Streckenverlauf der Zugfahrt auf der Modulanlage kann man sich hier ansehen.

Flori begutachtet das kleine Gerät mit dem Spiralkabel in seiner Hand: Der Fred.

Fred und Fredi

Für uns Modulisten ist der Fred gleichzeitig Lokschlüssel und Führerstand, der Fred ist das Steuergerät für die Lok. Jede Lok auf den Modulen hat einen solchen Handregler. Auf der Rückseite steht auf einem Einsteckzettel die Loknummer geschrieben: 132 452. Floris Blick schweift über die Gleisanlage, auf Gleis 3 wird er fündig.

Flori hat inzwischen den Dienstraum des Vorstehers verlassen, denn der ist schon wieder am Arbeiten. Die Übergabe nach Dahmstadt will gebildet werden und die (Modell-) Zeit sitzt im Nacken.

Flori sichtet die Karten in seiner Hand,  zu jedem Güterwagen in seinem Zug gibt es eine Wagenkarte. Er gleicht sie mit den Wagen seines Zuges ab, es sind alle da und sogar die Reihenfolge stimmt. Jetzt steckt er das Spiralkabel des Freds in die nächste Loconetdose und testet ob die Lok reagiert und der Zug durchgekuppelt ist. Zugschluß ist auch vorhanden.

>Bin dann soweit, kann losgehen.

>>Allet klar!

Die Uhr zeigt 3:35 Uhr, noch ein bißchen Luft. Aber bei 5-facher Zeitverkürzung (rechnet mal selbst!) ist es für einen Kaffee doch etwas knapp.

3:43 Uhr:

>>Gleis 3, kannste abfahren!

Richtig, Güterzüge dürfen auch vor Plan fahren. Ein virtueller Achtungspfiff, virtuell deshalb weil Geräuschdecoder noch eher die Ausnahme sind (Gott sei Dank, Anmerkung der Redaktion). Flori dreht den Regler auf. Mit 40 durch die Weichen, in Hintertupfingen sind noch "EW1" verbaut, da sollte man es nicht übertreiben. Anschließend "Plan 60", wie der Profi sagt:

Ausfahrt Htg

Bahnhof Dahmstadt ist nicht weit, Einfahrt frei, Ausfahrt Halt erwarten. Flori lässt sich gelassen in den Bahnhof rollen:

In Dahmstadt brummt für gewöhnlich der Bär, aber der Mann dort hat seinen "Laden" im Griff ...

...auch wenn die Gestik anderes vermittelt. Bevor Flori kräftiger in die Bremse greifen muß, hebt sich der Flügel. Na siehste!

Haltepunkt Ersatzteillager und Abzweig UBB durch. Ein kurzer Blick aus dem Seitenfenster - immer diese Aufschneider in ihren Sportwagen...

Die nächste Station ist Hermsdorf-Klosterlausnitz, oder abgekürzt: Hkl. Ein Blick beim Fahrdienstleiter über die Schulter. Dort ist der 61602 sehr wohl bekannt:

Die Zugnummernmeldung RgZM auf dem Laptop zeigt dem Fahrdienstleiter in Hkl die Streckenbelegung durch den Dg 61602 (links die Strecke aus Dahmstadt, in der Mitte die vier Bahnhofsgleise, und rechts die weitergehende Strecke nach Trebbichau). Die Fahrstraße wird eingestellt und während der Zug einfährt (nach Gleis 2)...

...bietet der Fahrdienstleiter den Zug der nächsten Betriebsstelle an, Abzweigstelle Trebbichau. Bis der Zug dort angenommen wird bleibt die Zugnummer im Vormeldefeld und rot unterlegt. Nun heißt es warten, eine Tugend, die gerade dem Eisenbahner sehr ausgeprägt sein sollte:

Es tut sich was, der Zug wurde in Trebbichau (Tbc) angenommen, die Fahrsraße ist natürlich längst eingestellt. Und weil der Fotograf so langsam ist, wird die Übermittlung das Abfahrauftrages noch einmal nachgestellt (die Ausfahrsignale in Hkl waren zum Zeitpunkt unserer Zugfahrt noch nicht betriebsfähig.

Währenddessen können wir uns ja noch mal den Bildschirm ansehen. Der 61602 ist nun dem Gleis 2 zugeordnet. Rechts oben wird die Modellzeituhr angezeigt, sind wir denn pünktlich? Der Fahrplan (Foto oben) gibt Auskunft. Aber auch auf dem Bildschirm werden wir fündig: In der unteren Bildschirmhälfte steht die Bahnhofsfahrordnung, und dort finden wir auch den 61602. Durchfahrzeit 4:21 Uhr, also kein Grund zur Eile.

Im anschließenden Streckenabschnitt ist auch das Pulsnitztalviadukt zu passieren, mit 30 km/h. Spektakuläre Beschleunigungsmanöver haben also keinen Sinn:

Auch war an der langen, wenn auch nicht unpünktlichen Annahme durch Trebbichau abzusehen, das im unmittelbar folgenden Bahnhof Finkenheerd die Luft brennt - es wird wohl etwas dauern mit der Durchfahrt.

Aber ach, wenn Du denkst, daß Du denkst... kommste um die Ecke geschlichen, und - der Signalflügel von Trebbichau reckt sich schon ungeduldig in die Höhe:

Und der Fahrdienstleiter Finkenheerd hat so ein seltsames Funkeln in den Augen. Er hat doch tatsächlich extra einen Fahrweg "freigeschaufelt", um den 61602 pünktlich durch zubekommen. Wenn auch nicht über das durchgehende Hauptgleis. Und nun kommt der Zug nicht, aber legt ihm den ganzen Bahnhof lahm:

Flori klinkt der dicken Russin "eine ein", schnell weg hier, bevor sich der Frust an ihm entlädt. Die anschließende Kurvenstrecke lässt den Patzer schnell vergessen:

Der nächste Engpunkt naht: Bahnhof Vieselbach. Aber es geht sauber durch, ohne stocken. Und im Hintergrund die Uhr...

...sagt, ja, sind wir pünktlich? Wo war noch der Fahrplan. Während Flori seinen Papierkram in der Hand durchforstet, erschüttert ein schweres Beben die Maschine. Und nach endlos erscheinendem Getöse - steht die Fuhre. Aber irgendwie schief:

Flori kann sich nicht mehr auf dem Sitz halten, mal abgesehen davon, daß ihm doch die Ruhe dazu fehlt. Was war das jetzt? Der Flügel war doch oben? Oder nicht? Mit einem Satz ist er runter von der Maschine, und das Übel wird begutachtet. Da kommt auch schon der Fahrdienstleiter und phaselt fast schon gelangweilt etwas von Modulübergang, oder so. Und schon ist er wieder mit anderen Dingen beschäftigt. Also wird der (virtuelle) Hilfszug bemüht und die Maschine mittels Fünffingerkran eingegleist. Denn es drängelt schon wieder, von beiden Seiten. Die nächste Betriebsstelle ist der Abzweig Oberkaselwitz, ab dort wird die zweigleisige Strecke nur noch eingleisig befahren - zeitweise eingleisiger Behelfsbetrieb wegen Bauarbeiten - ein Nadelöhr sondergleichen. Also läßt Flori die Ludmila ordentlich aufheulen - Strecke freimachen.

 Der Fahrdienstleiter auf der Abzweigstelle wirkt entspannter, als befürchtet. Auch wenn das Signal schon länger auf Fahrt steht. Aber die Betriebssituation in Okw ist derzeit recht "luftig":

Man beachte auch den originellen Bildschirmhintergund. Der Ng 70401 auf die Nebenbahn nach Spitz hat Oberkaselwitz gerade passiert, und sonst ist nur der Dg 61602 zu sehen. Aber das kann Flori nicht wissen, und er gibt "Gummi", auf das falsche Gleis rüber und  -wusch-  schnell durch.

Im Endbahnhof - endlich, irgendwie ist die Fuhre doch nicht ganz so gelaufen, wie gewünscht - erfolgt die Einfahrt vom falschen Gleis auf "Befehl". D.h. bei uns Modulern: Auf mündlichen Auftrag - "Kannste rinkommen". Flori kommt "rin", mit 40 wieder durch die Weichen - er steht unter besonderer Beobachtung:

Und kaum steht der Zug, wird er auch schon zerlegt. Vielleicht sind ja Wagen für den Ng nach Kranichsfeld dabei:

Zum Ende der Zugfahrt sind noch die Papiere an den Wagenmeister zu übergeben - im Gegenteil zum Anfangsbahnhof Hintertupfingen ist Waldengenberg mit Fahrdienstleiter und Wagenmeister besetzt, es ist halt etwas mehr Betrieb dort.

Beim Wagenmeister ist keine Spur von Unruhe zu erkennen. Aber trotzdem: Noch schnell den Fred abgegeben, und dann will Flori erstmal aus der Schußlinie. Dabei war die Ankunft doch einigermaßen pünktlich, und für die Entgleisung kann Flori nun wirklich nix. Man darf aber sicher davon ausgehen, daß sich Flori schon bald den nächsten Dienst geben lassen wird.

Diese Zugbegleitung wurde so beim Modultreffen in Zella-Mehlis im Frühjahr 2009 dokumentiert.