Demonstrativ

Ganz demonstrativ: In Rokytnice wurde Abschied vom Dampf genommen


 


Wieder einmal im Mai, genauer vom 03. bis zum 08. Mai 2012, fand das große Treffen unserer tschechischen Modulfreunde in Rokytnice v Orlických horách statt. Zum zweiten Mal war auch der FKTT mit einer Gruppe Modulisten und einem eigenen Arrangementteil vertreten. Gegenüber 2010 konnte die Teilnehmerzahl aus unseren Reihen auf 15 Teilnehmer plus Familienmitglieder ausgeweitet werden.


Der beschauliche kleine Ort -> Rokytnice liegt im Adlergebirge, etwa 150 km östlich von Prag. Die Anreise offenbart einerseits den gewaltigen Fortschritt der Infrastruktur in den letzten 20 Jahren, so geht es weite Teile der Strecke über neu gebaute Autobahnen (wenngleich mit einer ähnlichen Vielzahl an Baustellen wie bei uns); andererseits ließen einige der letzten Straßenkilometer gewisse Zweifel an einer erfolgreichen Ankunft aufkommen. Anders als in unseren Gefilden, wo man einem Ort in dieser Größenordnung, wenn überhaupt, dann allenfalls noch 1 bis 2 Schulbusfahrten gönnen würde, verfügt Rokytnice noch über einen eigenen Bahnhof mit Personenverkehr und - in Deutschland undenkbar - sogar 3 mal wöchentlich einer Nahgüterzuganbindung, die auch mit vornehmlich Holzverkehr gut genutzt ist.


Wie im Jahr 2010 fand auch dieses Treffen in der hochmodernen Schul- und Wettkampfturnhalle statt, welche ähnliche Dimensionen wie die Rossweiner Halle aufweist. Zwar gab es m.W. keine offizielle Messung der Streckenlänge, aber es sind wieder einige Modellstreckenkilometer zusammen gekommen (-> Aufbauplan). Es gab einen eigenständigen DR-Ast mit Hauptbahn (WEB-HMD-DST-TBC) und Nebenbahn (TBC-REN-ROK). Als Highlight in letzterem Ast war der Bahnhof des Veranstaltungsortes Rokytnice auch im weitestgehend originalgetreuen Nachbau vertreten. Denn unseren Modulfreund Tom hat die tschechische Bahn schon beim letzten Treffen so sehr begeistert, dass er sich an einen tschechischen (ehemals K.u.K.) Vorbildbahnhof gewagt hat. Dies sorgte auch beim Bürgermeister des Ortes für deutliches Interesse.


Hinsichtlich der Treffensorganisation und -durchführung kann man den Organisatoren nur uneingeschränktes Lob aussprechen. Es gab eine landestypische und sehr zufriedenstellende Vollverpflegung durch die Schulmensa zu einem sehr ansprechenden Preis. Unterkünfte waren in örtlichen Pensionen und Hotels reserviert und zum großen Teil wohl auch in ansprechender Qualität, wenngleich einzelne Teilnehmer dann doch eine sehr rustikale Definition von Hotel erleben durften. Zum Schlafen und Duschen hat es aber allemal gereicht.


Wie leider bei Großtreffen etwas häufiger der Fall zog sich der Aufbau ziemlich lange hin, so dass es am Freitag erst gegen 15 Uhr ein erstes "Uhr läuft" zu hören gab. An den weiteren Tagen war der Start in den Fahrplantag meist irgendwann nach 10 nach einem geruhsamen Frühstück. Auch Mittags- und Abendessenpause waren eher großzügig dimensioniert, an jedem Tag wurde nach dem Abendessen noch bis gegen 22 oder 23 Uhr Echtzeit im Fahrplanbetrieb gefahren. Wenngleich dadurch sicherlich so manche Stunde Betriebszeit verschenkt wurde bleibt doch festzustellen, dass es auf diese Art eine vollkommen entspannte und angenehme Treffensatmosphäre gab. Dank des auf immerhin 6 Tage ausgedehnten Treffens gab es nicht das Gefühl, etwas verpasst zu haben.


Eine Spezialität der tschechischen Modulfreunde ist, dass es nicht nur beim Fahrplanbetrieb bleibt sondern dass sie sich immer noch ein paar Besonderheiten einfallen lassen. Thema des Treffens war der Dampfabschied bei der CSD am Ende der 70er Jahre. In den ersten Modulsessions wurde dann auch noch mit einigem an Dampflokomotiven gefahren.
Nach dem Ende der 2. Session kam von der staatlichen Plankommission der Befehl, alle planmäßig eingesetzten Dampflokomotiven zur Verschrottung im Depot Rumburk zusammenzuziehen und diese durch mittlerweile in ausreichender Anzahl verfügbare Diesellokomotiven zu ersetzen. Nachdem quasi über Nacht alle Dampfloks in Rumburk abgestellt waren rumorte es in der (Modulisten-)Bevölkerung. Schließlich entlud sich der Unwille in lautstarken Protestzügen mit Spruchbändern, mit denen die Moduljugendlichen den staatlichen Plankommissar Pavel Bures in arge Bedrängnis brachten.


Pusťte páru na trať!   -   Gebt uns die Dampflok wieder!


Eine Eskalation konnte nur mit Zugeständnissen beim Dampflokeinsatz (die dann aber doch nicht erfüllt wurden) verhindert werden. Lediglich die geplante Verschrottung der Lokomotiven konnte aus Mangel an Acetylen nicht durchgeführt werden, so dass die Dampflokomotiven allesamt abgestellt in Rumburk verblieben.


Als ein weiteres Ereignis sorgte ein nächtlicher Erdrutsch an der Bahnstrecke zwischen Rumburk und Ujezd für "Abwechselung", so dass einzelne Personenzugleistungen durch KOM in Schienenersatzverkehr auf dem Abschnitt zwischen Bela und Rumburk gefahren werden mussten. Da selbiges auch für die Zukunft nicht ausgeschlossen werden kann, ist ab sofort der Besitz einer Fahrerlaubnis für Busse einschließlich Personenbeförderungsschein Einstellungsvoraussetzung für den Dienst als Modulbahn-Triebfahrzeugführer.


Bei allen "offiziellen" Besprechungsrunden war Pavel Stepanek wieder unermüdlich dabei um mit seinen Übersetzungen alle erforderlichen Informationen zwischen den tschechischen und deutschen Modulisten ungehindert fließen zu lassen.


Daneben wurden einige der wichtigsten Dienstposten (z.B. der Zugleiter der tschechischen Kleinbahn) von tschechischen Modulisten mit guten Deutschkenntnissen besetzt, so dass auch anspruchsvollere Zugleistungen ohne Sprachbarriere von uns gefahren werden konnten. Insgesamt ergab sich eine sehr erfreuliche Verteilung der Dienstbesetzungen und keinerlei Berührungsänste auf irgendeiner Seite. Dazu beigetragen hat sicherlich auch, dass von Anfang an eine zentrale Dienstausgabe sowohl die tschechischen wie auch die deutschen Dienste verteilt hat.


Das nächste Treffen in Rokytnice wird möglicherweise bereits 2013, spätestens aber 2014 stattfinden, und so wie ich es sehe wird es sicher wieder eine nennenswerte deutsche Beteiligung geben, denn zu diesem Treffen kann es nur genau ein Fazit geben - das war Spitzenmäßig!


 -> Die tschechische Sicht auf das Treffen


 


Jochen und Thomas